Wieso fürchtet man sich im Wald? Auf den sozialen Medien habe ich das schonmal zum Thema gemacht, hier also ein kleiner Bericht über das, was mir so durch den Kopf schwirrt, wenn ich alleine unterwegs bin (und gleichzeitig eine schöne Tour vor der Haustür).

Eigentlich wollte ich einfach nur unsere Putzfee alleine zuhause wuseln lassen. Also Rucksack geschnappt, und ab in den Stadtwald. Die Sonne schien und ich freute mich auf den halben Tag Auszeit im Wald. Kaum hatte ich die ersten paar Meter im Wald hinter mir, wurde ich nervös. Was knackt da im Gebüsch? Ist es klug, morgens um 8.00 als Frau alleine im Wald zu wandern? und dann auch noch an einem Waldfriedhof entlang? Schwachsinn, sage ich mir. Schließlich weiß ich, dass es seeeehr unwahrscheinlich ist, dass da jemand die ganze Nacht im Gebüsch gehockt hat und darauf wartet, dass da jemand alleine vorbeikommt. Ich frage mich, warum ich mein Pfefferspray nicht eingepackt habe. Tief einatmen und den Kopf frei kriegen. Schließlich ist das, was sich da in meinem Kopf abspielt, überhaupt nicht rational.

Ich versuche die Stille zu genießen, es ist wirklich niemand unterwegs. Der Wald duftet wunderbar und die Vögel zwitschern um die Wette. Ab und zu meckert ein Vogel, dass ich Eindringling durch den Wald gehe. Und ich weiß, wenn er jetzt üer mich meckert, ist dort niemand anderes.

Die Sonne kommt über dem Berg (naja, über das Wort „Berg“ kann man hier sicherlich streiten) und ich freue mich über die warmen strahlen und das schöne Frühlingsgrün.

Sonnenaufgang im Wald

Riecht es hier nach Wildschwein? Ich schaue mich um, den Spuren nach waren hier wohl auch Wildschweine unterwegs, aber weit und breit sind zum Glück keine in Sicht. Das wäre tatsächlich ein Grund, Angst zu haben.

Um so mehr Sonne durch die Bäume schimmert, umso mehr freue ich mich, den anfänglichen Anflug von Angst überwunden zu haben und ich genieße die Stille und das alleine sein in vollen Zügen.

Ich passiere ein Rehgatter, die Rehe scheinen die Ruhe auch noch zu genießen und liegen auf dem Boden.

Es geht steil bergauf und ich komme ganz schön ins schwitzen – meine Kondition ist durch meine Fußverletzung im September ganz schön im Keller. Auf einmal höre ich wieder ein Knacken. Knacken ist eigentlich untertrieben. Es kracht aus dem Unterholz und auf einmal sehe ich, wie ein Busch am Wegrand wackelt. Mein Herz rutscht mir in die Hose, wie versteinert stehe ich auf dem Weg und versuche mich zu sammeln. Es kommt aber nichts aus dem Busch. Ich gehe einen Schritt nach vorne und dann sehe ich, was mir so einen Schreck eingejagt hat: Ein junger Rehbock schubbelt sein Geweih. Er hat mich nicht bemerkt. Langsam und möglichst eise hole ich mein Handy aus der Hosentasche und mache ein paar Fotos. Als ich auf Video umschalte, bemerkt er mich aber doch und guckt mich genauso verdattert an, wie ich ihn zuvor. Er macht ein paar Sprünge von mir weg und schaut mich wieder an. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, dass er mich gleich angreift. Was macht man eigentlich, wenn man von einem Hirsch angegriffen wird? vermutlich schreien und die Arme in die Luft reißen. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Dann dreht der Hirsch sich um und hüpft ein paar Meter weiter. Er bleibt nochmal stehen, schaut mich an und läuft dann bellend davon )bellen Hirsche? Für mich hat es sich wie ein heiserer Hund angehört). Ich kann ihn schon lange nicht mehr sehen, höre ihn aber noch eine Weile. Hat sich wohl mächtig aufgeregt der Gute.

Für mich war das ein absolut magischer Moment. Noch nie war ich einem Wildtier so nah (abgesehen von sehr hungrigen Kakadus in Australien). Rehe sind so scheu und vorsichtig und der hat mich so lange angesehen. Einfach toll.

Es geht weiter bergauf und ich mache eine kurze Pause, um meinen Pulli auszuziehen. Meine Angst ist wie weggeblasen. Ich bin einfach nur total zufrieden. Es war auf ein kleiner großer Magic Moment.

Kurz darauf entdecke ich noch einen Buntspecht (bzw hat er natürlich recht viel Krach gemacht). Es geht weiter bergauf und ich verlaufe mich etwas. Was nichts neues ist, irgendwie biege ich gerne mal falsch ab. Aber das merke ich diesmal schnell und ich gehe zurück auf meinen Weg. Dieser führt mich auf ein Feld und am Waldrand liegt ein großer umgestürzter Baum. Ich bleibe unschlüssig stehen. Eigentlich ist das ein perfekter Pausenplatz, genau in Richtung Sonne. Aber ich bin erst seit 1 1/4 Stunden unterwegs und brauche eigentlich auch keine Pause. Ich halte mein Gesicht kurz in die Sonne, gehe dann aber weiter.

Auf der kleinen Straße sehe ich tatsächlich einen Spaziergänger mit zwei Hunden. Ich genieße die Aussicht über die Heimat und gehe gut gelaunt weiter.

Blick auf Gevelsberg

Ich weiß schon, wo ich Pause machen werde. Ich habe eine Bank im Kopf, auf der ich im Winter schon mit einer Freundin in der Sonne gesessen habe. An der Stelle angekommen, ist die Bank irgendwie gar nicht mehr so einladend für mich. An einer Wegkreuzung mit freiem Rücken und in der Nähe ein heruntergekommener Pferdeunterstand. Ich habe schon wieder Kopfkino. Ich schaue mich um und setze mich dann aber doch hin, um meinen Müsliriegel zu essen. Aber irgendwie fühle ich mich nicht ganz wohl dabei. Ich fange an, den Müll der um die Bank herum liegt, aufzusammeln und in den Mülleimer neben der Bank zu werfen (Wie dumm sind manche Leute eigentlich?). Ich telefoniere noch kurz mit meiner Mutter und bin irgendwie froh, dass sie jetzt weiß wo ich bin und dass ich alleine bin. Total bescheuert eigentlich, als ob mir das irgendwie helfen könnte.

Meine Blase drückt ganz schön, aber ich will nicht in die Büsche kriechen, um diese zu leeren. Jetzt geht es erstmal viel bergab. Und natürlich verpasse ich den Abzweig zu dem Weg, den ich eigentlich nehme wollte. Macht aber nichts, hier kenne ich mich gut aus und nehme einfach den Weg, den ich öfter gehe. Etwa vor mir biegt eine junge Frau mit Nordic Walking Stöcken auf den Weg ab. Ich freue mich, dass sie auch mutig ist und ich fühle mich direkt viel wohler. ich gehe um die Kurve und auf einmal ist sie nur noch ein paar Meter vor mir. Ich merke, dass ich sie nervös mache, aber spreche sie ach nicht an. Irgendwann dreht sie sich um und sieht, dass ich auch eine junge Frau bin. Aber ich glaube, das beruhigt sie nicht sonderlich. Sie läuft ein Stück un biegt dann in den Weg, den ich eigentlich nehmen wollte. Bewusst nehme ich einen anderen. Und ich muss wirklich pinkeln. Ich verkrieche mich also ins Gebüsch und hoffe, dass die Frau jetzt nicht am Weg entlang kommt, wenn ich aus dem Busch komme, das würde sie glaube ich endgültig in Panik versetzen. Tut sie aber nicht und ich gehe weiter alleine durch den Wald. Ich komme zum Wildschweingehege und könnte von hier aus schnell zum Startpunkt. Ich gehe aber noch eine Schleife um das ganze vernünftig abzuschließen. Dann sehe ich einen umgestürzten Baumstammstapel, viele Stämme sind auf den Weg gerollt. Ich weiß nicht, ob und wo man so etwas melden muss. Unschlüssig bleibe ich stehen und beobachte argwöhnisch die Stapel auf beiden Seiten de Weges. Aber zurück gehen will ich auch nicht. Ich denke, dass erstmal nichts mehr kullern wird und laufe über die Stämme (der Weg wurde danach übrigens gesperrt). Jetzt geht es aber nach Hause.

Umgestürzter Baumstapel

Letztendlich bin ich froh, eine wirklich schöne Tour alleine gemacht zu haben, früh morgens den Sonnenaufgang im Wald (natürlich war es schon hell) zu sehen, meine Begegnung mit dem Reh, die Ruhe zu spüren und vor allem die Ruhe in mir selbst zu finden.

Die Route zur Wanderung findest du auf komoot (unbezahlte Werbung)

Wie gehst du mit Angst um, wenn du alleine bist? Hast du Tipps, die du mit uns teilen möchtest? Ich schreibe in meinem nächsten Beitrag noch einige zusammen.

3 Responses

  1. …spannendes Thema.. ich war früher der echte Schisser im Wald. Besonders Nachts. Jedes Geräusch lies mich zusammenfahren. Aber das wurde immer besser. Letztlich sagte ich mir, sollte mir tatsächlich ausgerechnet im Wald was auflauern, dann ist das eben so. Die Gefahr von Menschen in der Stadt ist viel größer. Im Wald sind die meisten Tiere scheu und Menschen würden dort nicht auf Opfer warten.

    Mittlerweile bin ich echt glücklich im Wald. Selbst als wir bei der Suche nach einem Lagerplatz noch eine Rotte Wildschweine hochgescheucht hatten habe ich ruhig und fest auf dem Boden gepennt. Mein Sohn hatte sich und seine Hängematte aber so hoch gehängt, dass die Wildschweine unter durch konnten.

    Bei Sturm versuche ich schnell einzuschlafen (gelingt immer ganz gut). Dann merke ich nicht, wenn der Baum mich erschlägt. Ich mag den Wald und er mag mich.

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