Ich kenne da ne Abkürzung

Als ich Fußstapfen neben meinem Zelt höre, öffne ich die Augen. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagt mir: 5:30 Uhr. Naja, wir waren früh im Bett, haben einen anstrengenden Tag hinter uns. Dazu die Zeitverschiebung und die Tatsache, dass es hier nicht dunkel wird. Ich würde sagen, die letzte Nacht hat es unter die Top fünf meiner Zeltnächte geschafft, ich war nur einmal wach weil mir etwas kühl war und habe mir meinen Pulli um die Oberschenkel gelegt. Es ist recht frisch (8°C). Ich ziehe mir meine Daunenjacke über und krieche aus dem Zelt. Und was sich mir hier bietet, raubt mir den Atem. Die Sonne steht tief über dem glitzernden See, das Wollgras leuchtet im Sonnenlicht.

Und dazu diese Ruhe. Ich sauge den Moment in mir auf, ich glaube, einen besseren Morgen habe ich noch nicht erlebt. Wir lassen es ruhig angehen, jeder kramt ein bisschen vor sich hin. Ich bin trotzdem total aufgekratzt. Stefan hat eine geschützte Stelle zum waschen gefunden. „Wenn ich schwimmen gehe, schreie ich damit ihr ein Beweisfoto machen könnt“, witzel ich vor mich hin. Tatsächlich ist das spiegelglatte Wasser sehr verlockend. Ich nehme mein Waschzeug und kämpfe mich durch 3.000.000 Mücken zum Wasser auf der anderen Seite unserer Landzunge. So nackig ist es schon verdammt kalt. Vorsichtig gehe ich mit den Füßen ins 4° C warme Wasser, es fühlt sich an wie 1000 Nadelstiche auf der Haut. Aber man gewöhnt sich dran. Ein bisschen. Ich wasche mich, Adrenalin strömt mit der Kälte durch meinen Körper. Wenn ich es schon so weit geschafft habe, kann ich eigentlich auch einmal kurz mit dem ganzen Körper rein. Mir bleibt kurz die Luft weg als ich mich ins Wasser hocke. So, nass, Badetag beendet. Oder nicht? Jetzt packt mich der Ehrgeiz. Langsam gehe ich in tiefere Wasser, schwimme ein paar Meter und rufe die Jungs wegen meinem Beweisfoto. Ich warte. Niemand kommt. Na toll, alles muss man alleine machen. Ich schwimme zurück ans Ufer, nehme mein Handy und suche nach einer geeignet Stelle, um es zu positionieren. Dann geht es nochmal ins Wasser. Jetzt genieße ich es richtig, der Sonne entgegen zu schwimmen. Vielleicht kann ich einmal um die Landzunge herum schwimmen, um den Beiden zu winken? Die glauben mir sonst sowieso nicht, dass ich schwimmen war. Mir fällt es immer schwerer, mich zu bewegen, die Kälte nimmt die Kraft aus meinen Muskeln. Wenn ich jetzt weiter schwimme, bin ich ganz schön weit weg von meinen Anziehsachen. Auch wenn ich zu gerne die Gesichter der beiden sehen würde, drehe ich lieber um. Dass sie mich nicht hören, wenn ich rufe, hab ich schließlich schon herausgefunden. Zitternd steige ich aus dem Wasser, meine Finger kann ich kaum noch bewegen. Ich trockne mich etwas ab und schlüpfe wieder in meine Schlafsachen und die Daunenjacke. Ich glaube das war keine so clevere Aktion.

Trotzdem habe ich in Lächeln im Gesicht, welches sich zu einem breiten Grinsen entwickelt, als Stefan und Bernd mich ungläubig ansehen, als sie meine nassen Haare sehen. Sie wollten mich schon suchen, weil ich so lange weg war. Hätten sie mal machen sollen. Ich finde mein Sitzkissen immer noch nicht und sitze zitternd an einen Stein gelehnt in der Sonne, die viel zu wenig Energie hat. Ich werde dazu verdonnert, mir mehr anzuziehen und bekomme einen heißen Tee. Meine Finger kann ich immer noch nicht richtig bewegen und so bleibt der Reißverschluss meiner Hose erstmal offen. Nach dem Frühstück bin ich wieder einigermaßen aufgetaut und wir packen zusammen.

Da wir gestern echt schlecht voran gekommen sind, müssen wir heute ganz schön Kilometer machen. Wir haben zwar genug Puffertage, allerdings nur Essen für einen zusätzlichen Tag dabei. Klar, man kann alles strecken und eventuell gibt’s an den Hütten was zu futtern was jemand da gelassen hat, aber das wäre eher so Plan C. Die beiden Männer studieren die Karte. eigentlich hat niemand von uns Lust, den Berg zum Weg wieder zurück zu gehen, das war schließlich ziemlich unwegsam und wir verlieren mindestens eine halbe Stunde, vermutlich sogar mehr. Aber wir sind ja nicht doof, und kürzen einfach ein bisschen ab. Wenn wir dem See folgen, landen wir irgendwann automatisch wieder auf dem ACT.

Um 8:45 Uhr schultern wir die Rucksäcke und gehen los. Ich genieße die Sonne und die Stille um uns herum macht uns wieder sprachlos. Und dann finde ich endlich Blaubeeren. Tausende! Alles voll hier. Ich bedaure etwas, dass ich meinen Radius heute morgen nicht etwas erweitert habe. Der Boden besteht quasi aus Blaubeersträuchern. Nur sind die hier halt nicht so hoch wie bei uns, sondern maximal 15 cm hoch. Wahrscheinlich habe ich einfach das falsche gesucht. Wir futtern so viel wir können und ich jammere etwas vor mich hin, dass ich die schönen Blaubeeren platt treten muss.

endlich Blaubeeren

Wir sehen noch ein paar verrückte Felsbrocken, die auf Steine gelegt(??) sind. sehr mysteriös. Ich kontrolliere immer wieder unsere Position und stelle fest: wir kommen dem Trail nicht ein Stückchen näher, sondern laufen konsequent ca. 500 m nebenher. Nur sehen wir ihn einfach nicht. Schnell wird klar, dass er hinter dem Bergrücken liegen muss, der rechts von uns ist und wir uns auf der Karte mit dem See vertan haben. Und der Weg knickt bald nach rechts ab. Das heißt: wir müssen den blöden Berg überqueren. Das ist irre anstrengend, weil der Untergrund so leicht ist und die Füße talwärts knicken und die Sonne ganz schön knallt. Wir kommen unfassbar schlecht voran und sind fix und fertig, als wir oben ankommen. Für die letzten 1,5 km haben wir ne Stunde gebraucht und ich fühle mich, als hätte ich mindestens zehn Kilometer hinter mir. Wir blicken ins Tal auf der Suche nach dem Weg, finden ihn recht schnell und ich sehe sogar zwei Wandernde aus der Ferne. Wir gönnen uns eine kurz Verschnaufpause und überlegen, wie wir sicher den Berg runter kommen, als ein Schneehase an uns vorbei flitzt. Das hebt die Stimmung direkt.

Unten angekommen, müssen wir uns erstmal einen Weg durch das Sumpfgebiet suchen. Ich habe immer noch Hoffnung, diesen Weg mit trockenen Füßen zu absolvieren. Ein bisschen. Noch halten die Schuhe dicht.

Wir sehen wieder einiges an Knochen, Beine, Kiefer und diesmal auch mehrere Rentierschädel mit Fellresten dran und Stefan spielt ein bisschen Mückentaxi, die scheinen seinen Rucksack ziemlich gut zu finden.

An einem kleinen See machen wir Pause. Hier gibt es hünsche kleine Muscheln. Es sind mittlerweile 17°C (dami hat niemand von uns gerechnet) und ich habe gar nicht genug getrunken. Beim Blick in meine halbvolle Flasche bin ich aber ganz froh, das nicht gemacht zu haben, mein Wasser ist nämlich voller Wasserflöhe, die dort munter umherschwimmen. Ich ziehe mir meinen Pulli über, weil ich so geschwitzt habe, tausche das Wasser aus und kühle die Füße. Jetzt sind es nur noch zwei Wasserflöhe, die ich liebevoll Tom und Jerry taufe. Mal sehen, wie lange die beiden in der Flasche bleiben bevor sie in meinem Magen landen.

Es geht bergauf. Eigentlich sollte das der erste richtige Anstieg der Tour werden, aber wir haben uns heute morgen ja schonmal warm gelaufen. Auf halber Höhe müssen wir das erste mal einen Bach überqueren. Also es ist mehr ein Rinnsal und es liegen genug Steine drin, um trockenen Fußes da rüber zu kommen. Wir füllen die Trinkflaschen nochmal auf, bevor es weiter hoch geht. Ich hab ja etwas Hoffnung, dass das Wasser hier sauberer ist.

Die Anstrengung lohnt sich wirklich und wir gönnen uns noch eine Pause, irgendwie müssen wir uns alle noch etwas einlaufen. Und während wir in der Sonne sitzen und die Aussicht genießen, diskutieren wir, wie weit wir heute noch laufen wollen. Eigentlich müssen wir ein paar Kilometer der nächsten Etappe machen, um den halben Tag gestern wieder rauszulaufen. Aber da ist nicht jeder von uns so überzeugt von. Wir einigen uns darauf, erstmal bis zur Katffik Hütte zu gehen und dort nochmal zu überlegen wie es weiter geht. Eventuell in Verbindung mit einer größeren Pause und Abendessen, mal sehen.

Das hier ist definit der schönste Abschnitt bisher und ich frage mich, ob ich schonmal saubere Luft eingeatmet habe, als hier. Keine Menschen weit und breit, nur wir und die Natur. Die Stille um uns herum ist ungewohnt aber tut verdammt gut. Sie beruhigt das Chaos in meinem Kopf. Und dann, als wir den See, an dem die Katiffik Hütte liegt, schon fast sehen können, werden wir doch tatsächlich von jemandem überholt. Der spricht aber nicht sonderlich viel, scheint es eilig zu haben. Wir genießen lieber die Landschaft, haben ja schließlich Zeit, wird ja nicht dunkel. Aber aufs Kochen freue ich mich ja schon ein bisschen, sonderlich viel hab ich nicht gesnackt, was daran liegt, dass Stefan keine Snacks dabei hat, was mir etwas Sorgen bereitet und ich fleißig teile. Noch über den nächsten Hügel, dann können wir die kleine Hütte an dem riesigen See erkennen. Man könnte fast meinen, es wäre ein Fjord, so riesig ist der.

erster Blick auf die erste Hütte

Jetzt geht es nur nach bergab. Und unsere Stimmung bergauf. Lachend und singend erreichen wir gegen 17:30 Uhr die kleine Hütte und ich bin entzückt, wie süß sie aussieht. Es gibt ein separates Toilettenhäuschen (Plumpsklo), die Hütte ist mit einem Petroleumofen (mit Bedienungsanleitung, der einzigen Anleitung auf dem Trail, wie wir später schmerzlich feststellen mussten) und einer kleinen Kochnische ausgestattet und bietet Platz für sechs Leute, mit Matratzen, auf denen glaube ich niemand mehr schlafen möchte. Wir finden außerdem allehand Zeugs, zum Beispiel eine Angel, Munition, Gaskartuschen (mit Restinhalt), Instantnudeln, Rinderbrühe etc. Der Platz vor der Hütte bietet mehr als genug Möglichkeiten, um Zelte aufzubauen und nach kurzer Überlegung bauen wir unsere Zelte am Strand auf und beenden die Etappe hier nach zwölf Kilometern und fast 500 hm für heute. Nach der Katiffik Hütte kommt ein technisch anspruchsvolles Stück und wir sind uns nicht sicher, wie es danach so nach Zeltplätzen aussieht. Außerdem ist es hier einfach atemberaubend schön. Als die Zelte stehen, wasche ich mich nochmal im See, T-Shirt, Socken und die Unterhose direkt auch. Die nassen Sachen hängen wir an der Wäscheleine an der Hütte auf. Dann machen wir uns ans Abendessen. Für mich gibt es Polenta mit Pilzen, ein neues Rezept, was ich ausprobieren wollte. Zum Glück schmeckt es.

Dann kommt eine riesen Gruppe, die alle ihre Zelte an der Hütte aufbauen. Oder es zumindest versuchen. Ich biete meine Hilfe an und komme mit einem Pärchen ins gespräch. Alles Dän:innen, geführte Truppe, zehn Wandertage, sie sind heute ab Kellyville durchgelaufen. Stramme Leistung, wie ich finde, dafür dass offensichtlich einige von ihnen sehr unerfahren sind. Stefan, Bernd und ich sitzen noch lange in der Sonne und lassen den Tag Revue passieren. Wir einigen uns darauf, den ACT in zehn Tagen zu gehen, anstatt in den ursprünglich geplanten neun Tagen. Das alles rauszulaufen, was wir in den zwei Tagen verloren haben, würde nur in unnötigem Stress enden und aufgrund der unterschiedlichen Wegbeschaffenheit fällt es uns unheimlich schwierig, Tagesetpappen einzuschätzen. Nicht weit von uns baut noch jemand sein Lager auf, ich gehe auch noch kurz zu ihm um ein bisschen zu quatschen. Auch Däne. Dann schlender ich nochmal zu der Gruppe herüber, ich habe nämlich unerwartet meine Periode bekommen und naja, in nächster Zeit komme ich an keine Drogerieartikel. Das hier ist also meine Chance. Ein paar Mädels können etwas entbehren. Auch eine neue Erfahrung für mich, in eine fremde Gruppe marschieren und nach Menstruationsartikeln fragen.

Es wird etwas windiger und wir machen uns noch Ingwertee, bevor wir uns in unsere Zelte zurück ziehen. Es ist 21:00 und die Sonne steht noch hoch über den Bergen. Verrückt irgendwie.

2 Responses

  1. Das ist das schönste was ich seit langem gelesen habe.. Haste echt toll gemacht. Da laufe ich den Weg gleich nochmal. Ohne Anstrengungen ist das eh viel besser..:)

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