Auf Umwegen in den Tag

Ich habe relativ lange und vor allem gut geschlafen – kein Wunder nach dem gestrigen Tag. Um 8:00 Uhr stehe ich vorsichtig auf, eine halbe Stunde später wecken wir Bernd. Sonst sind wir um diese Zeit schon losgegangen. 19 km liegen heute vor uns, mittlerweile ist der Rucksack spürbar leichter und die Beine spürbar stärker. Wir frühstücken ganz gemütlich und machen uns gegen 10:00 Uhr startklar. Die Schuhe sind immer noch nass und es ist richtig fies, da rein zu steigen. Das Wetter scheint wieder besser zu werden, immerhin kommt dann hoffentlich kein Wasser von oben dazu.

Wir gehen 100 m und stehen vor dem Fluss, der gestern schon etwas unerwartet vor uns lag. Diesmal müssen wir aber definitiv auf die andere Seite und das geht definitiv nicht an der Stelle, an der wir gerade stehen, hier müssten wir erstmal ein bis zwei Meter runter klettern. Wir gehen flussabwärts und suchen, mal wieder, eine Furtstelle. Irgendwann einigen wir uns auf eine breite Stelle, die relativ flach aussieht. Dennoch müssen wir Schuhe und Socken ausziehen und die Hosen hochkrempeln. Das alles raubt natürlich Zeit und so haben wir in der ersten halben Stunde -500 m gemacht. Das Wasser reicht mir fast bis zu den Knien und dadurch, dass die Stelle so breit ist, werden die Füße ganz schön kalt. Klappt aber alles problemlos.

Auf der anderen Seite folgen wir erstmal dem ATV Track, hier sieht man die ganzen Kriechweiden, die dafür plattgefahren wurden. Nach kurzer Zeit bleiben wir stehen, weil um uns Milliarden Mücken surren, die zwar – Mückenspray sei Dank – kaum stechen, aber gefühlt permanent versuchen in Mund und Nase zu fliegen. So viele wie hier hatten wir bisher an den vorherigen Tagen zusammen. Wir kommen sehr gut voran, der Weg ist trocken und breit. Es gibt kaum noch Rentierknochen auf dem Weg, dafür sehen wir immer wieder Rentiere. Eins scheint sehr neugierig zu sein, immer wieder taucht es relativ nah neben uns auf. Aber eigentlich wollen wir endlich einen Mochsen sehen.

Aber was wäre ein Wandertag in Grönland ohne nasse Füße? Natürlich wird es wieder sumpfig. Genervt kämpfen wir uns durch die Feuchtgebiete. Wir haben den Weg etwas verloren und gehen rechts daneben her, die Berge rauf und runter und sammeln ordentlich Höhenmeter. Eigentlich sollte die Etappe relativ entspannt sein. Irgendwann sind wir wieder drauf und es geht nochmal bergauf, dafür ist der Untergrund weniger sumpfig und spürbar felsiger.

An einem kleinen See machen wir eine lange Pause, snacken, ich lege mich etwas in den Hang und mache ein paar Minuten die Augen zu, sauge die Stille in mich hinein. Wir lassen auch die Drohne fliegen und finden damit nochmal das Rentier. Als wir gerade weiter gehen wollen, kommt uns eine Wanderin entgegen. Aus Deutschland, natürlich. Sie hat die Nacht mit 4 anderen in einer Hütte geschlafen, unter anderem mit Barry, wie wir erfreut herausfinden. Da sie erst den dritten Tag unterwegs ist, ist ihr Wetterbericht natürlich deutlich aktueller als unserer und der sagt zwar für den Nachmittag und nächsten morgen noch etwas Regen voraus, danach soll aber wieder die Sonne durchkommen. Ich freue mich auf ein paar wärmende Sonnenstrahlen und tolle Aussichten in den Bergen. Es sind jetzt zwar auch 14° C, aber es fühlt sich viel kälter an. Könnte an den nassen Füßen liegen.

Nach der nächsten Kurve treffen wir auf unser erstes Schneefeld. Naja, es ist ein sehr sehr kleines Schneefeld, so drei bis 5 Quadtratmeter vielleicht. Dennoch, für die 400 m Höhe auf der wir sind, Anfang August, nicht schlecht.

Um 17.00 Uhr erreichen wir nach einem langen, atemberaubendem Tal die kleine Neromaq Hütte. Ich kann mir kaum vorstellen, hier zu fünft drin zu schlafen, erst Recht nicht wenn alle nasse Sachen haben. Es gibt kein Klohäuschen und das sieht man leider auch um die Hütte herum. Wir entdecken Barrys Zelt in der Hütte, das er zurückgelassen hat und bevor wir die Nachtlager vorbereiten, fege ich erstmal gründlich durch. In der Hütte liegt eine alte Angel und Stefan will endlich versuchen, einen Fisch zu fangen. Wir kämpfen uns durch das Gestrüpp zum Ufer des kleinen Sees und während die Männer versuchen zu angeln, sammel ich fleißig Beeren. Klare Rollenverteilung. Neben Blaubeeren wage ich mich jetzt auch mal an die kleinen schwarzen Krähenbeeren, die zwar leicht giftig sind, aber nicht als Giftpflanzen gelten. Sie können eine berauschende und aphrodisierende Wirkung erzielen, aber auch unbeabsichtige Vergiftungen hervorrufen. Also Vorsicht! Ich will sie in meinem Frühstück mitkochen. Das Angeln bleibt erfolglos und so sitzen wir irgendwann mit unserem Tütenessen in der kleinen Hütte, während es draußen etwas regnet und deutlich kälter geworden ist.

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