Porto Santo, eine kleine Insel etwa 43 km nordöstlich von Madeira, ist durch Fähren und Flüge mit der Hauptinsel verbunden. Während die Fähre rund 2,5 Stunden benötigt, dauert der Flug nur etwa 15 Minuten. Die Fähre verkehrt morgens hin und abends zurück. Der 9 km lange, goldene Sandstrand, der sich entlang der Südküste erstreckt, ist bekannt für seine therapeutischen Eigenschaften, die bei Gelenk- und Knochenproblemen helfen sollen. Wegen der eingeschränkten Fährverbindungen über die Weihnachtsfeiertage bleibe ich drei Tage hier. Neben Strandentspannung bietet die Insel ideale Bedingungen für Wassersport wie Tauchen und Schnorcheln, mit interessanten Tauchplätzen, darunter Schiffswracks und Riffe. Im Gegensatz zu Madeira ist Porto Santo viel ruhiger und weniger touristisch erschlossen – perfekt für alle, die Ruhe und Abgeschiedenheit suchen, genau das Richtige für mich. Außerdem gibt es schöne Wandermöglichkeiten – ideal, um die Feiertage möglichst auszublenden.
Meine Fähre startet morgens um 8:00 Uhr von Funchal. Da ich eine Stunde vorher da sein muss und ein ganzes Stück zu laufen habe, starte ich früh um 6:30 Uhr mit vollgepacktem Rucksack. Die Aufräumarbeiten der Nacht der Märkte sind noch in vollem Gange. Wo gestern Nacht noch ausgelassen gefeiert wurde, sind jetzt nur noch Berge von Müll zu sehen. Aus dem Nachtclub strömen die letzten Feierwütigen, viele von ihnen nehmen meine Fähre nach Porto Santo und legen sich direkt auf die Sitze in den Aufenthaltsbereichen. Ich fühle mich nicht viel besser. Die Nacht war kurz, und der Poncha war zu stark. Ich nippe an meinem Tee, die Luft ist stickig, und mir wird flau im Magen. Ich setze mich raus, der kalte Wind und die aufgehende Sonne helfen etwas, aber ich nicke immer wieder weg. Dann landet mein Mageninhalt in der Mülltonne – unangenehm. Danach geht es mir etwas besser, und als ich das nächste Mal die Augen öffne, springen Delfine durch die Wellen neben uns.
Auf Porto Santo angekommen, bereue ich sofort, dass ich den Mietwagen nicht mitgenommen habe. Am Fähranleger gibt es nämlich gar nichts. Allerdings steht da ein Pferd. Ob und wann ein Bus kommt, weiß niemand. Ich tue mich mit einer jungen polnischen Familie zusammen, und wir nehmen gemeinsam ein Taxi. Sie haben sogar das gleiche Hotel gebucht wie ich. Das Hotel ist übrigens sehr schön, und ich fühle mich sofort wohl. Ich hatte ganz vergessen, dass ich ein Appartement-Zimmer gebucht habe – da hätte ich meine restlichen Lebensmittel ja gar nicht im Hostel in Funchal lassen müssen und hätte mir einfach etwas kochen können. Hätte, hätte.
Ich bin total k.o. und will mich etwas am Strand ausruhen. Bikini ist weg. Naja, Unterwäsche tut’s auch, es ist ja sowieso kaum jemand da. Wassersport gibt es sowieso nicht, alles ist geschlossen. Nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf hüpfe ich in das doch sehr kalte Meer, telefoniere meinem Bikini hinterher (erfolglos), und suche ein Restaurant für abends – es ist schließlich Heiligabend. Ich finde fußläufig ein Hotel, das ein Weihnachtsmenü anbietet, sogar komplett vegan. Perfekt. Allerdings erst spät, vermutlich die zweite Runde oder so. Ich nutze die Zeit zum Lesen, mache einen Videocall mit meiner Familie und genieße die tiefstehende Sonne bei einem Spaziergang.
Fürs Essen mache ich mich schick, mein Magen knurrt mittlerweile auch ganz schön. Außer mir ist noch niemand im Restaurant, dessen Tische sehr geschmackvoll eingedeckt sind. Gang um Gang wird gebracht, ich bleibe der einzige Gast. Der Kellner schenkt mir fleißig Wein nach, und es ist ein bisschen wie bei „Dinner for One“. Ich fühle mich furchtbar einsam, bleibe aber tapfer. Mittlerweile habe ich zwei geöffnete Flaschen Wein im Weinkühler stehen, und am liebsten würde ich sie mit auf mein Zimmer nehmen. Nach zwei Stunden und unzähligen Kalorien bin ich fertig. Ich gebe großzügig Trinkgeld – schließlich war eine ganze Küchenmannschaft nur für mich noch tätig. Kaum habe ich das Restaurant verlassen, rollen die Tränen mein Gesicht herunter. Wäre ich doch bloß in Funchal geblieben.
Der nächste Tag beginnt mit Yoga am menschenleeren Strand, gutem Frühstück und Telefonieren. Danach geht es in die kalten Wellen. Eigentlich habe ich zu nichts Lust, überwinde mich dann aber doch, eine tolle Wanderung zu machen. Porto Santo ist ganz anders als Madeira, her trocken und karg. Dann wieder lesen, Strandspaziergang zum Sonnenuntergang, Essen in einem viel zu vollen Nachbarhotel mit Buffet. Immerhin bin ich nicht alleine.
Frühstück. Yoga. Zu Fuß will ich etwas einkaufen (Bikini vor allem!), bin aber erfolglos, weil alles geschlossen ist. Immerhin bekomme ich ein kaltes Getränk bei einer Konditorei. Zurück geht es am Strand entlang. Lesen. Strandspaziergang zum Sonnenuntergang. Essen wieder im Nachbarhotel. Alles sehr entschleunigend. Mein Hals kratzt etwas, und ich lege mich abends in die Badewanne in meinem Zimmer.
Frühstück, Yoga, Packen. Mit dem Bus fahre ich in die Stadt, die mir sehr gut gefällt. Ich schlendere durch kleine Gassen, finde eine Apotheke, wo ich Halsschmerz- und Reisetabletten für die Fähre heute Abend kaufe. Ich hole mir ein Eis und setze mich an den kleinen Stadtstrand, weine vor mich hin. Ich weiß noch nicht mal, warum – vielleicht, weil es morgen nach Hause geht und ich eigentlich gar nicht bereit für den grauen Alltag bin. Weil sich der Alltag gar nicht nach Alltag anfühlt, wenn jemand fehlt.
Ich finde ein Restaurant etwas abseits und genieße leckere Pasta und ein letztes Glas Wein. Da ist sie wieder, die Zufriedenheit. Im Supermarkt kaufe ich noch ein paar Getränke und etwas zum Snacken. Zur Fähre gehe ich zu Fuß – zieht sich ganz schön, aber ich habe ja sowieso nichts zu tun. Die Stadt bietet nicht so viel, und ich habe gefühlt schon jeden Winkel zweimal gesehen.
Die Fahrt zurück nach Madeira ist gut. Keine Übelkeit, aber auch keine Delfine. Funchal leuchtet uns entgegen – fast hätte ich den ganzen Weihnachtskitsch schon wieder vergessen.
Ich hole das Auto aus dem Parkhaus und fahre nach Santa Cruz, dem letzten Stopp dieser Reise. Der Ort ist sehr schön, ich beziehe aber schnell mein Zimmer, schließlich ist es schon spät und mein Flieger geht relativ früh.
Die Rückgabe des Mietwagens läuft nicht so gut – ein Kratzer am Spiegel. Entweder war der schon da, und ich habe ihn nicht gesehen, oder es ist im Parkhaus passiert, als ich auf Porto Santo war. Noch ein Grund, das Auto lieber mitzunehmen. Am Flughafen gibt es einen letzten Pastel de Nata und nochmal viele Tränen, dann geht es mit einem sehr knapp bemessenen Zwischenstopp in Lissabon zurück nach Hause.
Fazit
Porto Santo bot mir eine unerwartete Mischung aus Ruhe, Abgeschiedenheit und emotionalen Höhen und Tiefen. Die Insel beeindruckt mit ihrem langen, goldenen Sandstrand und der entspannten Atmosphäre – ideal, um für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen. Allerdings wird schnell deutlich, dass abseits dieser Highlights nur begrenzt Aktivitäten und Infrastruktur vorhanden sind, insbesondere während der Feiertage. Die Einsamkeit und das Gefühl, fern von den Weihnachtsfestlichkeiten zu sein, haben mich mehr getroffen, als ich erwartet hatte. Rückblickend hätte ich vieles anders machen können – von der Planung der Reise bis hin zu meiner inneren Einstellung. Doch letztlich waren es genau diese Imperfektionen, die meinen Aufenthalt so besonders und unvergesslich gemacht haben.
Für alle, die nach Ruhe und Entschleunigung suchen, ist Porto Santo durchaus einen Besuch wert. Allerdings empfehle ich, die Insel eher als Tagesausflug oder für eine Übernachtung zu besuchen. So kann man das Beste der Insel erleben, ohne dass Langeweile oder Einsamkeit aufkommen. Ein längerer Aufenthalt ist nur dann zu empfehlen, wenn man wirklich gezielt die Abgeschiedenheit sucht.
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